Aktuelle Rechtsprechung zum Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit „Null“

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat am 12. März 2021 entschieden, dass Kurzarbeit Null grundsätzlich den Urlaubsanspruch kürzt. Es stellt sich die Frage, welche Arbeitnehmer/innen von dieser Entscheidung betroffen sind. Ist das Urteil auch für den öffentlichen Dienst einschlägig?

Der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin arbeitet als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten in einem Betrieb der Systemgastronomie. Sie ist teilzeitbeschäftigt (Drei-Tage-Woche). Im Jahr 2020 wurde für sie wiederholt Kurzarbeit angeordnet.  Auf ihr Arbeitsverhältnis findet kein Tarifvertrag Anwendung.  Auch ist diese strittige Frage in Ihrem Arbeitsvertrag nicht geregelt. Folglich gelten vollumfänglich die Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes. Die Klägerin war der Ansicht, die Kurzarbeit habe keinen Einfluss auf ihre Urlaubsansprüche. Kurzarbeit erfolge nicht auf ihren Wunsch, sondern allein im Interesse der Arbeitgeberin. Kurzarbeit sei auch keine Freizeit. So unterliege sie während der Kurzarbeit Meldepflichten. Auch könne die Arbeitgeberin die Kurzarbeit spontan vorzeitig beenden, weswegen an Planbarkeit der freien Zeit nicht zu denken sei.

Dieser Auffassung schloss sich die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf nicht an, ebenso wie das Arbeitsgericht Essen, das die erstinstanzliche Klage abgewiesen hatte. Aufgrund der Kurzarbeit Null habe die Klägerin keine Urlaubsansprüche gemäß § 3 Bundesurlaubsgesetz erworben. Der Jahresurlaub 2020 stehe ihr deshalb nur anteilig in gekürzten Umfang zu, und zwar für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null sei der Urlaub um 1/12 zu kürzen. Der Erholungsurlaub bezwecke, sich zu erholen; das setze logischerweise eine Verpflichtung zur Tätigkeit voraus. Da während der Kurzarbeit die beiderseitigen Leistungspflichten aufgehoben sind, seien Kurzarbeiter wie vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer zu behandeln, ihr Erholungsurlaub ebenfalls anteilig zu kürzen.

Mit dieser Entscheidung schloss sich das Landesarbeitsgericht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes an. Aus Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 2003/88/EG entstehe bei Kurzarbeit Null kein Mindesturlaubsanspruch. Denkbar wäre, dass das deutsche Recht eine für Arbeitnehmer günstigere Regelung enthalte. Das aber sei nicht der Fall. Weder existiere diesbezüglich eine spezielle Regelung für Kurzarbeit nach dem deutschen Arbeitsrecht noch ergebe sich etwas anderes aus den Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes. Insbesondere sei Kurzarbeit Null nicht mit Arbeitsunfähigkeit zu vergleichen. An alledem habe der Umstand, dass die Kurzarbeit der Klägerin durch die Corona-Pandemie veranlasst sei, nichts geändert.

Das Landesarbeitsgericht hat Revision zugelassen (LAG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2021 – 6 Sa 824/20). 

Diese Entscheidung ist grundsätzlich einschlägig für alle Arbeitsverhältnisse, auf die kein Tarifvertrag Anwendung findet und für die arbeitsvertraglich keine günstigere Regelung für den Arbeitnehmer getroffen wurde. 

Für Arbeitsverhältnisse bei öffentlichen Arbeitgebern dürfte dieses Urteil (zunächst) keine Wirkung entfalten. Soweit Tarifverträge für Arbeitnehmer günstigere Regelungen vorsehen, haben diese gegenüber dem obigen Urteil Vorrang. So sieht § 9 des Tarifvertrages zur Regelung der Kurzarbeit im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV COVID 19) vom 30. März 2020 in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nummer 1 vom 25.10.2020 unter anderem vor, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub durch Zeiten der Kurzarbeit nicht vermindert wird. § 3 des Tarifvertrages stellt klar, dass Kurzarbeit bis zur Herabsetzung der Arbeitszeit auf null Stunden eingeführt werden kann, folglich also auch der volle Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit Null geschützt ist.

Dieser Tarifvertrag war am 1. April 2020 in Kraft getreten und hat eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2021. Ob die Laufzeit des Tarifvertrages verlängert wird, bleibt abzuwarten. 

Unser Autor:

Gerd Tiedemann, eigenständiges Mitglied im dozenten.team, Regierungsdirektor a.D.(Diplom-Verwaltungswirt); ehem. Ortsamtsleiter (sog. „Stadteilbürgermeister“) Hamburg–Finkenwerder sowie Dezernent Bürgerservice im Bezirksamt Hamburg – Mitte, Dozent bei der dbb akademie und bei Walhalla Seminare mit den ThemenArbeits- und Tarifrecht, Personalvertretungsrecht¸ Kommunikationstechniken, Vermittlung mediativer Kompetenzen, Konfliktmanagement, Moderation von Klausurtagungen für Personalräte und Personalverantwortliche