Urlaubsrechtliche Überlegungen mit Blick auf Corona

Die Corona-Pandemie wirft auch im Urlaubsrecht eine Reihe von Fragen auf. Einige der häufig auftretenden sollen hier behandelt werden: 

Kann der Arbeitgeber wegen erhöhtem Arbeitsaufkommen bereits bewilligten Urlaub widerrufen? 

In aller Regel sind Arbeitgeber nicht berechtigt, den von ihnen bewilligten Erholungsurlaub einseitig zu widerrufen. Nach § 7 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) hat der Arbeitgeber bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang verdienen, entgegenstehen. Verbindlich wird die Urlaubsfestlegung erst mit der Bewilligung des Arbeitgebers. Seine einmal ausgesprochene Bewilligung kann der Arbeitgeber jedoch nur in seltenen Ausnahmefällen (sozusagen Notfällen) widerrufen. Dabei obliegt dem Arbeitgeber die Beweislast, dass dringende betriebliche Belange den Widerruf erfordern. In einem solchen Fall hätte der Arbeitgeber dem Beschäftigten entstehende Kosten wie Stornierungsgebühren etc. zu ersetzen. 

Allerdings können sich beide Seiten einvernehmlich auf einen neuen Urlaubstermin einigen. Ein Anspruch auf solche Einigung besteht jedoch nicht. Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist ein arbeitsvertraglicher Passus, wonach sich die Mitarbeiter verpflichten, in jedem Fall auf Verlangen des Arbeitgebers bereits genehmigten Urlaub zu verschieben, unwirksam (BAG vom 9. Juni 2000, 9 AZR 455 99). 

Darf der Arbeitgeber die Beschäftigten auch gegen ihren Willen verpflichten, Corona bedingt zu einem bestimmten Zeitpunkt Urlaub zu nehmen?

Das Bundesurlaubsgesetz schließt zwar nicht von vornherein aus, dass der Arbeitgeber den Zeitpunkt des Urlaubs einseitig festlegen kann, verpflichtet ihn jedoch nach § 7 BurlG – wie oben ausgeführt – die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen soweit nicht dringende betriebliche Belange entgegenstehen.  Das dem Arbeitsrecht innewohnende Willkürverbot verlangt unter “Berücksichtigung” eine faire Interessenabwägung zwischen den betrieblichen Belangen und denen der Arbeitnehmer. Überdies sind bei öffentlichen Arbeitgebern die Beteiligungsrechte der Personalvertretungen zu beachten.

Nur in besonderen Einzelfällen wäre es vorstellbar, dass Auswirkungen der Corona-Pandemie zwingende betriebliche Belange begründen, den Urlaub „jetzt“ einseitig vom Arbeitgeber anzuordnen. Dabei stellt sich die Frage, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitgeber Urlaub gegen den Willen der Beschäftigten anordnen kann. Maßstab könnte eine Entscheidung des BAG aus dem Jahre 1981 (BAG vom 28. 07. 1981 – 1 ABR 79/79) sein. Das Gericht begrenzte damals den Umfang von Betriebsferien auf maximal 3/5 des jährlichen Urlaubsanspruches. Das dürfte auch für angeordneten „Zwangsurlaub“ aus Anlass von COVID-19 gelten.

Können Arbeitnehmer von ihrem geplanten Urlaub zurücktreten, weil Reisen oder sonstige Urlaubsaktivitäten Corona bedingt zur Zeit nicht verwirklicht werden können?

Der beantragte und vom Arbeitgeber bewilligte Urlaub bindet rechtlich auch die Arbeitnehmer. Hiervon können sie nicht einseitig zurücktreten. Das Risiko für nicht realisierbare Urlaubsaktivitäten tragen die Beschäftigten. Dennoch sollten einvernehmliche Lösungen angestrebt werden, insbesondere bei Härtefällen, die sich aus dem COVID-19-Geschehen ergeben.

Unser Autor:

Gerd Tiedemann, eigenständiges Mitglied im dozenten.team, Regierungsdirektor a.D.(Diplom-Verwaltungswirt); ehem. Ortsamtsleiter (sog. „Stadteilbürgermeister“) Hamburg–Finkenwerder sowie Dezernent Bürgerservice im Bezirksamt Hamburg – Mitte, Dozent bei der dbb akademie und bei Walhalla Seminare mit den Themen Arbeits- und Tarifrecht, Personalvertretungsrecht¸ Kommunikationstechniken, Vermittlung mediativer Kompetenzen, Konfliktmanagement, Moderation von Klausurtagungen für Personalräte und Personalverantwortliche